Die „Intifada“ erreicht die Metropole des Kapitalismus
Tausende Menschen sind den Anschlägen am 11.9.2001 in Amerika zum Opfer gefallen. Die Medien berichten in aufreißerischer Form über die Ereignisse. Die Inszenierungen der Hollywood-Katastrophenfilme wurde durch die Wirklichkeit übertroffen.
Wir betrauern die vielen Toten, die sinnlose Opfer einer unserer Meinung nach falschen politischen Strategie oder religiösem Fanatismus geworden sind. Wir gedenken gleichzeitig den täglichen Opfern des weltweiten Kapitalismus.
Die Anschläge sind Indiz dafür, dass die Widersprüche in der Welt des globalen Kapitalismus für die Herrschenden nicht beherrschbar sind und sie nun unmittelbar in ihrer „heilen Welt“ damit konfrontiert werden.
Nach dem Niedergang des „realen Sozialismus“ weltweit vor gut zehn Jahren, sah es für kurze Zeit so aus, als wenn der Kapitalismus seine ihm innewohnenden Widersprüche vergessen lassen könnte. Überall – besonders in der amerikanischen Wirtschaft – schossen die Zuwachsraten in die Höhe. Börsen-Spekulanten erzielten Rekordgewinne. Selbst das deutsche Kapital (falls es sich als solches überhaupt definieren lässt) hat sich an der Vereinnahmung der ehemaligen DDR nicht „verschluckt“ – wie es viele erwartet hatten.
Aber in der Übergangszeit der nun „endlich frei“-gewordenen Ostblockstaaten taten sich mächtige Probleme auf, die bis heute nicht gelöst werden konnten.
Die Wirtschaftskrise in Asien halbierte zum Teil die Einkommen der Familien vieler asiatischer Staaten. Amerikanische Banken und Unternehmen kauften die pleite gegangenen Firmen für einen „Appel und ’n Ei“ auf.
Jugoslawien wurde von der Nato in mehrere Teile zerbombt mit der Folge, dass nun die ehemaligen Bündnispartner „entwaffnet“ werden müssen.
Die Vertreter des amerikanischen Kapitals verhindern das Weltklimaabkommen und schlagen einen schändlichen Quotentausch mit den ohnehin durch den Weltwährungsfond gebeutelten Staaten vor.
Vertreter Amerikas und Israels ziehen aus der Anti-Rassismuskonferenz in Südafrika aus und verhindern somit eine Verurteilung.
Trotz der Kapitaloffensive weltweit, der Zusammenschlüsse wie der NAFTA und der EU geht es – abgesehen von einer kleinen Oberschicht, die von dieser Entwicklung profitiert – den Völkern weltweit immer schlechter.
Über ihre Organisationen wie NATO, Weltbank, Weltwährungsfond, WHO usw. bestimmen die Vertreter der reichen kapitalistischen Staaten, wie sich das Kapital weltweit ohne Hemmnisse ausbreiten kann bis letztendlich hin zur Unterwerfung der Produktion menschlicher Zellen unter den kapitalistischen Produktionsprozess.
Das schafft natürlich weltweit immer wieder neue Widersprüche. Nicht alle Völker wollen diese Bevormundung hinnehmen. Am deutlichsten wird das auch besonders in der Frage der Auseinandersetzungen zwischen Israel und den Palästinensern. Hier war die amerikanische Regierung in den letzten Monaten äußerst zurückhaltend und setzten mehr auf die „Härte“ Sharons zur „Lösung“ des Konflikts. Die „Intifada“ der Palästinenser ist Ausdruck des ohnmächtigen Widerstandes gegen die Unterdrückung ihrer Interessen. Aber ihre Aktivitäten verhindern „ein Zur-Ruhekommen“, sie fördern damit ihre ungelösten Interessen weiterhin in den Blickwinkel der Öffentlichkeit der Welt.
Und genau diese Ruhe in den kapitalistischen Metropolen ist nun seit dem 11.9.2001 massiv gestört. Die ungelösten Probleme dieser Welt sind plötzlich greifbar am Fuße des World-Trade-Center und direkt im Pentagon gelandet.
Die Festung des Kapitalismus mit seiner intensivst ausgeklügelten Sicherheitslogistik ist massivst erschüttert worden. Gerade erst arbeiten die Sicherheitsexperten der USA nach SDI an einem noch weitreichenderen Raketenabwehrsystem gegen die sogenannten „Schurkenstaaten“ – und dennoch wurden sie mit einfacher Logik an ihren Grundmauern verletzt.
US-Präsident Bush fällt nichts Besseres ein, als sich den Colt des Welt-Sheriffs umzuschnallen und loszuballern – nicht nur auf die Täter, die er nicht kennt, sondern auch auf die Staaten, die diese unbekannten Täter schützen.
Die Anschläge machen deutlich, dass kein Mensch in den Metropolen davor sicher ist – auch in Europa nicht. Die erste Reaktion von Schröder und Fischer mit der Erklärung der breiten Solidarität des deutschen Volkes mit dem amerikanischen Volk und der Verurteilung des „Angriffs auf die zivilisierte Welt“ soll die hinter dem Anschlag liegenden Widersprüche vertuschen. Gemeint mit der „Verteidigung der zivilisierten Welt“ ist doch die vom Kapital beherrschte Welt zu deren festgelegten Bedingungen – und dazu will Schröder dann auch noch „sein“ Volk mit ins Boot holen.
Die an die US-Regierung gerichtete Bereitschaft, sich mit aller Kraft an der Jagd der Täter zu beteiligen und keine Rücksichtsnahme zu dulden, erinnert an die harte Linie nach den Vorkommnissen beim Gipfel in Göteborg. Hier ist er seiner Ankündigung, dem „Touristen-Terrorismus“ das Handwerk zu legen, nachgekommen und hat der italienischen Regierung eine Datenbank aller in Deutschland schon einmal wegen „Landfriedensbruch“ Erfassten – egal ob rechtsmäßig verurteilt oder nicht – übermittelt.
Gerade die Auseinandersetzungen – angefangen von Seattle, über Göteborg bis nach Genua – machen deutlich, dass immer mehr Menschen mit den Zuständen des weltweiten Kapitalismus unzufrieden sind. Vielleicht helfen die Anschläge den Menschen in den Metropolen, die ja auch nach wie vor zunehmend ausgebeutet werden durch Sozialabbau, Deregulierung und Lohnraub, einmal intensiver über ihre eigene Stellung nachzudenken. Vielleicht kann die Angst vor der eigenen Betroffenheit durch Anschläge nunmehr auch in den Metropolen dazu führen, dass sie sich aus der ideologischen Umklammerung ihrer Herrschenden lösen und zum eigenen Nachdenken und Handeln kommen.
Eine andere Welt ist nicht nur denk- sondern auch machbar !
12.9.2001